Inflationsprobleme
Juni 2023
Inflationsprobleme
Nachdem die Notenbanken auf die Corona-Krisenpolitik mit Leitzinssenkungen und insbesondere der größten Gelddruckorgie aller Zeiten reagiert haben – allein die Fed und die EZB weiteten ihre Bilanzen um bis zu 4.800 Mrd. USD (+115 %) bzw. 4.144 Mrd. Euro (+88 %) aus –, hat sich das Konsumentenpreisniveau in den »Geldflutgebieten« USA und Eurozone seit Anfang 2020 um kräftige 17,3 % bzw. 16,9 % erhöht. In Deutschland verteuerten sich die offiziellen Verbraucherpreise im selben Zeitraum um 18,5 %, wobei das Geldentwertungsproblem gegenüber Lebensmitteln sogar bedenkliche 34 % erreichte. Obwohl der gemessen an den letztjährigen Spitzenteuerungsraten zuletzt rückläufige Preisauftrieb in den USA (4,1 %), der Eurozone (6,1 %) oder auch Deutschland (6,4 %) medial schon als ein in Kürze anstehender Sieg über das Teuerungsproblem gefeiert wird, zeigen die trotz der drastischen Zinserhöhungen in den letzten Monaten weiterhin deutlich anziehenden Verbraucherpreise, wie weit die Notenbanken tatsächlich noch immer von ihrem festgesetzten 2-%-Geldentwertungsziel entfernt sind.
Während die EZB ihren Leitzins im Juni auf 4,0 % anhob, verkündete die Fed nach zehn Zinsanhebungen in Folge ihre erste Zinspause – genau wie vom Markt erwartet. Während beide Notenbanken der Bekämpfung des Inflationsproblems mit den von ihnen in Aussicht gestellten weiteren Zinsanhebungen jedenfalls verbal weiterhin oberste Priorität einräumten, zieren sich EZB und Fed jedoch beharrlich, nun endlich auch signifikante Anteile ihres erschaffenen Geldmengenüberhangs vom Tisch zu nehmen. Dieses „Inflationsspielgeld“ mag nun auch ein, wenn nicht sogar der Hauptgrund dafür zu sein, dass die großen Aktienindices wieder in der Nähe ihrer historischen (Bewertungs-)Höchststände notieren, obwohl der laufende zinsinduzierte Wirtschaftsabschwung ausreichend Gründe dafür liefert, um auf Baisse bzw. mehr Vorsicht umzuschalten. Schließlich dürften sich die rosigen Unternehmensgewinnprognosen angesichts der sich verfestigenden Nachfrageschwäche und der im rekordhoch verschuldeten Unternehmenssektor massiv anziehenden Refinanzierungskosten nicht nur schon bald als viel zu optimistisch erweisen, auch ist in diesem Umfeld dank der enormen Masse an Zombie-Unternehmen mit einer signifikanten Zunahme von Insolvenzen zu rechnen.
Anders als die zuletzt maßgeblich vom Hype um die künstliche Intelligenz beflügelten Aktienmärkte vermochte der Edelmetallsektor kaum Interesse auf sich zu ziehen. Während der Goldpreis im ersten Halbjahr um knapp 6 % zulegen konnte, entwickelten sich die Kurse des durchaus solide Zahlen vorlegenden und optimistisch auf das zweite Halbjahr blickenden Minensektors lediglich volatil seitwärts. Angesichts der Unterbewertung von Gold gegenüber Aktien und Geldmengen, der nach unserer Einschätzung von den Notenbanken kaum mehr zu lösenden Inflationsproblematik und der Möglichkeit, dass die nächsten Zinsschritte der Fed eher nach unten als nach oben gerichtet sein werden, können wir uns gut vorstellen, dass der Goldpreis im zweiten Halbjahr sein altes historisches Hoch nachhaltig überwinden wird.
Hamburg, Juni 2023