Notenbanken werden zu einem immer größeren Risiko für die Finanzstabilität
Oktober 2019
US-Geldpolitik & -Wirtschaft: Dass es sich bei der Mitte September auf dem US-Repo-Markt plötzlich ausgebrochenen Liquiditätskrise um weit mehr als nur ein „technisch bedingtes, kurzfristiges Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage“ handelte, bewies der im Oktober gezeigte Aktionismus der US-Notenbank.
Glaubten die Fed-Vorderen noch zu Monatsbeginn, das „Problem“ mittels einer 75-Mrd.-USD-Übernacht- und einer zusätzlichen 14-tägigen 30-Mrd.-USD-Kreditlinie endlich in den Griff zu bekommen, so sah man sich nur kurze Zeit später gezwungen, nun mit allergrößter Vehemenz zu intervenieren. Schließlich erhöhte die Fed nicht nur ihre beiden Kreditlinien auf stolze 120 Mrd. USD bzw. 45 Mrd. USD, sondern verkündete auch noch ein bis Mitte 2020 laufen sollendes T-Bill-Kaufprogramm über 60 Mrd. USD monatlich, dessen Start bereits am 15. Oktober erfolgte! Zwar beteuerte Fed-Chef Powell, dass es sich bei diesem Ankauf kurzfristiger US-Staatsanleihen lediglich um eine „technische“ Maßnahme und nicht etwa um ein viertes QE-Programm handeln solle, was aber angesichts der damit verbundenen Fed-Bilanz- und US-Geldmengenaufblähung um rund 560 Mrd. USD allerdings nur an das Motto erinnert: „Wenn es ernst wird, muss man lügen!“ Zudem versuchte der Fed-Chef mit seiner Aussage, die Liquidität „fließe nicht richtig“, den Stress im System zu verharmlosen, während hingegen der Präsident der Dallas-Fed, Robert Kaplan, keinen Zweifel daran hat, dass die Liquiditätskrise mit dem „dramatischen Anstieg der Emissionen von US-Staatsanleihen“ zusammenhängt.
Genau dieser beschleunigt wachsende Kapitalbedarf der Trump-Regierung, deren 2019er Fiskaljahr-Defizit im Jahresvergleich gerade um 26 % auf das Niveau der Finanzkrisenjahre explodierte, dürfte auch mit ein wesentlicher Grund für die von der US-Notenbank im Oktober vollzogene dritte Leitzinssenkung gewesen sein, ist doch die völlig außer Kontrolle geratene Verschuldung der USA ohne ein permant laufendes QE-Programm und fallende Zinskosten schlichtweg nicht mehr finanzierbar. Angesichts der Prognose des Congressional Budget Office (CBO), welches das Staatsdefizit im laufenden Fiskaljahr nochmals um satte 22 % auf rund 1.200 Mrd. USD klettern sieht, wird sich die Fed ganz in den Dienst der Regierung stellen müssen und daher kaum mehr die von Powell angekündigte Möglickeit haben, einer (drohenden) Teuerungswelle per restriktiver Geldpolitik entgegenzuwirken.
Auch muss hinter Powells Einschätzung, dass die vom US-Präsidenten Trump gefeierte „greatest economy in american history“ „robust“ dasteht, mehr als nur ein dickes Fragezeichen gesetzt werden, ist doch das trotz einer unrealistisch niedrigen Inflationsbereinigung (BIP-Deflator Q3: 1,6 %) jüngst gemeldete reale 1,9 %-US-Wirtschaftswachstum (p. a.) im Jahresvergleich nicht nur deutlich gesunken, sondern obendrein auch noch mit einem 984 Mrd. USD „schweren“ Staatsdefizit (4,6 % des BIP) und einer neuen Rekordverschuldung von Unternehmen und Konsumenten erkauft worden.
Fondsmanager-Kommentar: Angesichts des globalen Konjunkturabschwungs stehen die Zeichen weltweit auf monetäre Expansion. Allein im aktuellen Jahr verkündeten die Zentralbanken weltweit 111 Zinssenkungen (16 davon im Oktober), flankiert von zwei milliardenschweren QE-Programmen der US-Notenbank und der EZB, die unmissverständlich ihre Bereitschaft erklärte, die von ihr geforderten staatlichen Fiskalprogramme mit der Druckerpresse zu finanzieren.
Der Goldpreis reagierte auf diese Entwicklungen lediglich mit leichten Kursgewinnen, was aber durchaus als Ruhe vor dem Sturm verstanden werden kann. Schließlich werden die Notenbanken zu einem immer größeren Risiko für die Finanzstabilität, kann doch die abermalige Intensivierung ihrer Geldentwertungs- und Finanzblasenpolitik schnell in einen Vertrauensverlust münden, insbesondere dann, wenn die Inflationsraten anziehen und die Konjunktur nicht mehr auf die monetären Stimuli reagiert.
Dass viele Notenbanken selbst immer stärker an einem erfolgreichen Ausgang des größten Geldexperiments der Geschichte zweifeln, zeigen deren kräftigen Goldkäufe seit 2009, wobei die niederländischen Notenbank DNB sogar ganz offen die Möglichkeit eines Systemzusammenbruchs thematisiert und Gold als den „Vertrauensanker für das Finanzsystem“ benennt.
Hamburg, Oktober 2019