Zu viel ist nicht genug
November 2020
USA: Obwohl die US-Regierung auf ihren im Frühjahr über die Wirtschaft verhängten Shutdown mit einer historisch beispiellosen Erhöhung der Staatsverschuldung um 17 % (+3.837 Mrd. USD) auf knapp 27.000 Mrd. USD reagierte, stand dieser am Ende des dritten Quartals eine dennoch um insgesamt 590 Mrd. USD geschrumpfte US-Wirtschaftsleistung gegenüber. Als wichtigster Finanzier der Billionen-Schuldenflut fungierte einmal mehr die US-Notenbank, deren Bilanz im Zuge ihrer Rettung von Staat, Unternehmen, Verbrauchern und Vermögenspreisen um sagenhafte 70 % bzw. 2.883 Mrd. USD förmlich explodiert ist. Zeigte sich Fed-Chef Powell noch im November letzten Jahres über die „schneller als die Wirtschaft wachsende Verschuldung“ sehr besorgt, so ist dieses Problem jetzt nur noch „langfristiger Natur“. Not kennt eben kein Gebot, weder in der Fed, noch im US-Finanzministerium, will doch auch die jetzt als Finanzministerin nominierte Janet Yellen genau da weitermachen, wo sie als Fed-Chefin aufgehört hat: „Wir müssen mehr Geld ausgeben!“
Waren die strukturellen Probleme der US-Wirtschaft, wie z. B. die Rekordverschuldung aller Sektoren, die immensen Leistungsbilanzdefizite, die Vermögensungleichverteilung samt Verarmung breiter Bevölkerungsschichten oder die verdeckte Arbeitslosigkeit, schon vor der »Corona«-Krise mit einer seit Jahren sehr expansiven Fiskal- und Geldpolitik stetig gewachsen, so stehen die USA jetzt vor einem zu-viel-ist-nicht-genug-Dilemma. Schließlich ist es doch illusionär zu glauben, dass man die sich als Folge des Shutdowns nun noch einmal beträchtlich verschärfenden strukturellen Probleme durch eine noch so voluminöse Schulden- und Gelddruckplanwirtschaft quasi nebenwirkungsfrei lösen könnte.
Zwar hat sich die Zahl der offiziell Arbeitslosen seit dem 23,1-Millionen-April-Hoch zuletzt auf »nur« noch 10,7 Millionen deutlich reduziert, doch ist dafür parallel das Heer der angeblich dem Arbeitsmarkt freiwillig nicht zur Verfügung stehenden (arbeitslosen?!) US-Amerikaner im erwerbsfähigen Alter in diesem Jahr um fünf auf 100 Millionen angewachsen. Auch stellt sich die Vermögens- und Einkommenssituation für 43 Millionen US-Amerikaner inzwischen derart prekär dar, dass diese mit staatlichen Lebensmittel-Zuschüssen gestützt werden müssen. Dass die USA dabei erst am Anfang einer nicht nur vom Shutdown induzierten Wirtschaftskrise stehen, zeigt aber auch die Tatsache, dass die wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe – nahezu jeder 2. Beschäftigte hat inzwischen einen Antrag stellen müssen – immer noch jedes jemals vor der »Corona«-Krise gesehene Niveau übersteigen, was nicht zuletzt der Tatsache geschuldet sein dürfte, dass sich jenseits der im Wall Street-Glitzerlicht stehenden Konzerne die Pleitewelle – selbst unter den mit Hilfskrediten »geretteten« Unternehmen – weiter intensiviert.
Finanzmärkte: Euphorisiert von der Aussicht auf die Notfallzulassung diverser Corona-Impfstoffe eilten die US-Börsen gänzlich unbeeindruckt von den realwirtschaftlichen Problemen, den zahlreichen Wahlbetrugsklagen des US-Präsidenten Trump oder dem per 31.12. verkündeten Aus diverser Fed-Marktinterventionsprogramme von einem Blasen-Rekordstand zum anderen. »Dank« einer auf nunmehr über 38.000 Mrd. USD angeschwollenen Marktkapitalisierung haben die US-Aktien sowohl in Relation zur Wirtschaftsleistung mit 180 % einen Bewertungshöchststand erreicht, als auch gemessen am Kurs/Umsatz-Verhältnis. Dass die Aktieneuphorie immer größere Blüten treibt, zeigt insbesondere der über 46%ige Kurszuwachs des US-Autobauers Tesla allein nur im November, wodurch dieser nun »wertvoller« ist als GM, Ford, Fiat, Chrysler, Honda, Hyundai, Daimler, BMW und Volkswagen … zusammen.
Fondsmanager-Kommentar: Während die globalen Aktienmärkte den stärksten November seit drei Jahrzehnten verzeichneten und auch die weltweite Negativzinsanleiheblase mit nunmehr rund 17.500 Mrd. USD einen neuen Rekordwert markierte, fielen dagegen die Preise von Gold- und Silber auf 5-Monatstiefs, was nach unserer Einschätzung klare Kaufchancen eröffnete. Denn als »Grund« für die gesehenen Verkaufswellen wurden tatsächlich die anstehenden Corona-Impfstoff-Zulassungen angeführt, ganz so, als könnte man sich damit gegen die inflationäre Gelddruckpolitik oder Null- und Negativzinsen immunisieren.
Hamburg, November 2020