Stagflation
September 2023
Stagflation
Auch wenn uns die Notenbanken das derzeit grassierende Teuerungsproblem gern als Resultat »externer Schocks« verkaufen wollen, so sind die »Geldwerthüter« letztendlich dafür verantwortlich, haben sie doch in jeder Krise alle staatlichen Verschuldungswünsche stets bereitwillig mittels Inflation – Gelddruckerei – finanziert. Außerdem haben sie diesmal wieder die Folgen ihres Handelns viel zu lang als „vorübergehend“ verharmlost und konnten dann selbst mit der abrupten Zinswende die Teuerung bis dato nicht wieder auf das 2-%-p. a.-Geldentwertungsziel drücken. Während die EZB im September ihren Leitzins minimal auf 4,5 % anhob, um der mit 5,2 % p. a. noch immer viel zu hohen Euroraum-Teuerung entgegenzuwirken, legte die US-Notenbank trotz einer seit dem 3,0-%-Juni-Tief auf zuletzt wieder 3,7 % gekletterten Jahresteuerung eine Zins-Pause ein. Zwar versicherte Fed-Chef Powell, der ja nach eigener Aussage „verstanden hat, wie wenig er über Inflation weiß“, „falls nötig“ weitere – die Nachfrage senkende – Zinsschritte verkünden zu wollen, doch lässt sich sein „falls nötig“ auch dahingehend interpretieren, dass er an seiner eigenen „soft-landing“-Konjunkturprognose zweifelt. Schließlich wird er wissen, dass drastische Zinserhöhungen die Wirtschaft nicht unmittelbar, sondern immer erst mit einer relativ großen Verzögerung in eine Rezession haben abgleiten lassen (Lag-Effekt). Angesichts der in den USA und der Eurozone über alle Sektoren hinweg angehäuften extremen Verschuldung muss man davon ausgehen, dass beide Wirtschaftsräume einer schweren Rezession entgegengehen, die sowohl die Fed als auch die EZB nötigen« könnte – unabhängig von den dann herrschenden Teuerungsraten – Wirtschaft und Finanzmärkte wieder mittels Inflationspolitik zu »stabilisieren«.
Trotz aller Bekundungen der Notenbanken, die Geldentwertung in absehbarer Zeit wieder auf 2 % p. a. begrenzen zu können, spricht allerdings einiges dafür, dass diese dauerhaft erhöht bleiben wird. Schließlich wird jede noch so restriktive Geldpolitik nicht nur durch eine anhaltend sehr expansive Fiskalpolitik konterkariert (die US-Regierung fährt mit ca. zwei Billionen USD gerade ihr drittgrößtes Haushaltsdefizit der Geschichte ein), sondern auch durch eine Rekordverschuldung der Unternehmen, die ihre gestiegenen Kreditkosten preistreibend auf die Verbraucher abwälzen müssen. Als weiterer Preistreiber wirkt aber auch die immer mehr an Tempo gewinnende Deglobalisierung, was in diesem Zusammenhang ein vor allem aus geopolitischen Gründen wieder kräftig anziehender Ölpreis dokumentiert.
Auch wenn ein steigender US-Dollar (10-Monatshoch) und die auf ein 16-Jahreshoch gestiegenen US-Renditen im September deutlich Druck auf den Goldpreis ausübten, zeigte sich dieser trotzdem robust, notiert er doch nur gut 10 % unter seinem Höchststand. Wir rechnen weiter damit, dass es in den nächsten Jahren im »Best-case-Szenario« zu einer Stagflation kommen wird, ein Umfeld, in dem Anleihen und Aktien eher schlecht und Edelmetalle bzw. Rohstoffe (bei aller Volatilität) eher stark performen sollten – ganz so wie in den 1970-er Jahren.
Hamburg, September 2023