Alle Dämme brechen …
März 2020
Konjunktur: Mit den im März zur Eindämmung der »Coronakrise« verhängten Maßnahmen haben die Regierungen der westlichen Welt das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben nahezu zum Erliegen gebracht, woraus für die Weltwirtschaft ein gleichzeitiger Angebots- und Nachfrageschock resultiert, der historisch ohne Beispiel ist. Und darüber hinaus treffen diese Schocks heute auch noch auf Wirtschaftsstrukturen und Finanzmärkte, die man nur als extrem fragil bezeichnen kann. Denn in Folge der Dauer-Rettungspolitik der Notenbanken ist die Verschuldung von Haushalten, Unternehmen und Staaten seit der letzten Finanzkrise um über 75.000 Mrd. USD auf nunmehr 191.100 Mrd. USD angeschwollen, während sich an den Finanzmärkten eine beispiellose Everything-Bubble gebildet hat, die wiederum von einem über 640.000 Mrd. USD schweren (unregulierbaren) Finanzwetten-Casino dominiert wird.
Durch den »Shutdown droht der Weltwirtschaft nun ein »1929er Depressions-Moment«, mit einer Abwärtsspirale aus sinkender Nachfrage, steigender Arbeitslosigkeit, Unternehmensinsolvenzen und Kreditausfällen, was wiederum eine schwere Banken- und Finanzkrise bedingen könnte. Viele Wirtschaftsindikatoren zeigen schon historische Einbrüche, so wie z. B. die Explosion der Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe auf 10 Millionen (!) binnen der letzten 14 März-Tage in den USA. Sollte die US-Wirtschaft im 2. Quartal, wie von Goldman Sachs prognostiziert, um annualisiert 34 % einbrechen, und die Zahl der Arbeitslosen bis Ende April auf die erwarteten 20 Millionen ansteigen, würde ein solcher Kollaps sogar die 1930er-Jahre-»Great Depression«-Werte deutlich in den Schatten stellen.
Finanzmärkte: Die Finanzmärkte erlebten im März einen 1929er-Moment, stürzten doch die Aktienkurse allein an der Wall Street zwischen dem 20. Februar und dem 23. März um bis zu 40 % ab und damit so heftig und schnell, wie noch nie in den letzten 100 Jahren zuvor. An den kreditgehebelten Börsen, die auch noch einen Ölpreisschock der besonderen Art zu verdauen hatten, wurden in der (Margin Call-)Verkaufspanik neben Aktien nahezu alles liquidiert, was irgendwie schnelle Liquidität versprach, ob nun Staats- oder Unternehmensanleihen, ob Rohstoffe oder auch Edelmetalle, wobei sich Gold mit einem Monatsverlust von knapp 1 % am Ende noch sehr gut behaupten konnte. Trotz günstiger Bewertungen erwischte der Crash auch die Edelmetallminenaktien, wobei es in dem Sektor sogar bei Minen-Standardwerten zu Tagesschwankungen von bis zu 40 % kam, was vermuten lässt, dass auch in diesem Segment zahlreiche Derivatepositionen komplett außer Kontrolle geraten sind.
Offenkundig sorgte das Derivate-Chaos aber auch für einen drohenden Kontrollverlust der US-Notenbank über den bereits seit September 2019 tief in der Krise steckenden US-Geldmarkt. So sah sich die Fed nach einer außerordentlichen Not-Zinssenkung um 100 Basispunkte gezwungen, den Repo-Markt erst mit gigantischen 1.500 Mrd. USD zu stützen, um wenig später ein »unlimitiertes« (!) QE-Aufkaufprogramm für nahezu alle Arten von Schuldenpapieren auszurufen.
Dass im Zuge der »Coronakrise« nunmehr aber auch die letzten finanzpolitischen Dämme brechen, zeigen die jüngst verkündeten Fiskalpakete der ohnehin schon rekordhoch verschuldeten G20-Staaten, die sich aktuell bereits auf rund 5.000 Mrd. USD summieren.
Fondsmanager-Kommentar: Die Maßnahmenbündel von Regierungen und Notenbanken mögen die Wirtschaft und Finanzmärkte kurzfristig etwas stabilisieren, aber den Fall der Weltwirtschaft in eine mindestens schwere Rezession werden sie nicht aufhalten können. Es wäre naiv anzunehmen, dass für die Weltwirtschaft so etwas wie ein „Reset-Knopf“ existiert und die globalen just-in-time-Lieferketten und das in der Wirtschaft angerichtete Chaos in wenigen Wochen reparabel wären; vielmehr werden die täglich größer werdenden »Shutdown«-Schäden die Weltwirtschaft noch für viele Monate, wenn nicht sogar Jahre schwer belasten.
Außerdem erhöhen die Krisenmaßnahmen das Risiko, das auf Kreditsand gebaute Weltfinanzsystem nicht – wie beabsichtigt – zu stabilisieren, sondern – weiter – zu destabilisieren. Denn wenn die zur Finanzierung der gigantischen Ausgabenprogramme per Druckerpresse erzeugte Geldschwemme im Zeitverlauf auf gestörte Angebotsstrukturen trifft, trägt die aktuell rund 10.000 Mrd. USD schwere Bekämpfung des deflatorisch wirkenden Schocks mit der Druckerpresse allemal das Risiko einer hyperinflationären Entwicklung in sich.
Hamburg, März 2020